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Über das Essen in der Zukunft

Im Kamingespräch der Jungen DLG/Team Hohenheim referierte Sebastian Weickert, Doktorand am Institut für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre im Fachgebiet Agrar- und Ernährungspolitik der Universität Hohenheim, zum Thema „Mikroalgen – eine mögliche Proteinalternative?“. Des Weiteren widmete sich Silvia Woll vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technik (KIT) der Thematik „In-vitro-Fleisch als Lösung der Probleme der Fleischproduktion und des Fleischkonsums?“.

Mikroalgen – eine mögliche Proteinalternative?

Sebastian Weickert stellte zu Beginn die verschiedenen Kultivierungsmöglichkeiten von Mikroalgen, auch Bioreaktoren genannt, vor. Demzufolge gibt es offene Systeme, zu denen unter anderem die „Beckenproduktion“ gehört, und geschlossene Systeme, wie Säcke, Röhren oder auch flache Reaktoren, sogenannte „PV-Anlagen“.

Im Allgemeinen ist eine phototrophe und heterotrophe Kultivierung von Mikroalgen möglich, wobei kaum Forschung und Kultivierung von heterotrophen Mikroalgen betrieben wird. Generell ist die jährliche weltweit produzierte Menge an Mikroalgen relativ gering, da durch die „Novel Food Regulation“ der Aufwand zur Zulassung von Mikroalgen als Lebensmittel vergleichbar hoch ist wie beispielsweise bei der Zulassung von Medikamenten.

Besonders vorteilhaft sei die geringe Flächennutzung von ca. 0,5 bis 2,6 Quadratmeter pro Kilogramm produziertes Protein. Problematisch sind jedoch die hohen Produktionskosten von rund 20 bis 160 Euro pro Kilogramm Protein, denn selbst bei großen Anlagen würden die Kosten über denen der konventionellen Proteinproduktion liegen.

Laut Weickert ist die Mikroalgenproduktion in kleinen Anlagen unter einem Hektar nicht konkurrenzfähig und im Allgemeinen sei die Sojaproduktion als Proteinquelle sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht aktuell zu favorisieren. Sollte eine Mikroalgenproduktion trotzdem in Betracht gezogen werden, muss mit hohen privaten Investitionen und einer anfangs geringen Verbraucherakzeptanz gerechnet werden.  

Eine generelle mögliche und wirtschaftliche Lösung stellt das Bioraffineriekonzept dar, in der Stoffkreisläufe durch die Nutzung von zum Beispiel Agrarabwässern, Gärresten und Abwärme geschlossen werden und so Produktionskosten gesenkt werden können.

In-vitro-Fleisch als Lösung der Probleme der Fleischproduktion und des Fleischkonsums?

Silvia Woll gab einen generellen Überblick über den aktuellen Stand und Realisierbarkeit der Produktion von In-vitro Fleisch. Momentan werden hauptsächlich Zellen von Rind und Schwein im Labor kultiviert.

Laut den Innovatoren gibt es scheinbar keine Alternative zu in-vitro Fleisch, jedoch ist die Produktion in großem Maßstab (noch) nicht möglich. Zudem ist laut Woll die Produktion von in-vitro Fleisch momentan aus ökologischer Sicht nicht besser als konventionelle Fleischproduktion.

Auch gesundheitlich gesehen wird die in-vitro Produktion divers diskutiert, da es als sogenanntes „functional food“ zwar bessere Eigenschaften und zusätzliche Nährstoffe beinhalten kann, jedoch trotz der Produktion unter Laborbedingungen ein relativ hoher Einsatz von Antibiotika notwendig ist.

Tierethisch sei in-vitro Fleisch sehr problematisch anzusehen, da trotzdem Tiere gehalten werden müssen. Neben der Nutzung von hohen Mengen fetalem Kälberserum müssen von lebenden Tieren regelmäßig Zellen entnommen werden, was für die Tiere Stress und vor allem regelmäßige Schmerzen bedeutet. In Verbraucherdiskussionen wird in-vitro Fleisch allgemein auch sehr skeptisch beurteilt.

 Experten sehen in-vitro Fleisch eher als Übergangslösung zu pflanzlichen Produkten wobei die eindeutige Alternative zur in-vitro Fleischproduktion ein reduzierter Fleischkonsum, eine vegetarische oder vegane Lebensweise lautet. Laut Experten soll in-vitro Fleisch im Allgemeinen eher ein Anstoß sein, den allgemeinen Fleischkonsum zu überdenken. 

Zum Thema Mikroalgen wurden in der Diskussion weitere Aspekte angesprochen.

  1. Die Algenernte ist sehr kompliziert, da die Ernte noch getrocknet, aufgeschlossen und die Algen extrahiert werden müssen. Es muss bei Mikroalgen nicht auf Gentechnik zurückgegriffen werden, wobei mit ihnen auch keine Nahrungsmittelprobleme gelöst werden können.  
  2. Mikroalgen können in verschiedenen Medien kultiviert werden und zeichnen sich durch einen geringen Wasserverbrauch aus, wodurch es kaum zu Konkurrenz verschiedener Regionen bezüglich der Produktion kommen sollte.
  3. Mikroalgen sind ziemlich gut für die menschliche Ernährung geeignet.
  4. Der hohe Phosphorverbrauch wird noch als sehr problematisch angesehen, wobei er aus Abfallströmen gedeckt werden könnte.
  5. Phototrophe Substanzen werden momentan wegen grüner Farbe, Geruch etc. weniger akzeptiert als heterotrophe.  
  6. Ernährungsempfehlungen für den Verzehr von MA gibt es (noch) nicht. Sie sollen teilweise als Extrakte und teilweise als Aufwerter verwendet werden.
  7. Novel-Food-Regulation verbietet höhere Vielfältigkeit an Extrakten.
  8. Mikroalgen werden immer als Mischkultur von Algenspezies, aber auch mit Bakterien- und Pilzstämmen kultiviert. Deshalb ist auch Vitamin B12 in Mikroalgen-Produkten, welches von Bakterienstämmen stammt.

Zum Thema In-vitro-Fleisch wurden folgende Punkte aus dem Plenum diskutiert:

  1. Der Kalorien- beziehungsweise Energieinput in der Produktion von In-vitro-Fleisch ist momentan noch unbekannt.
  2. Zellen müssen immer wieder neu aus Tieren entnommen werden und können nicht einfach weiter kultiviert werden.
  3. In-vitro-Fleisch könnte bei hoher Produktionsmenge auch relativ preiswert angeboten werden.
  4. Momentan ist In-vitro-Fleisch nur Protein-Fleisch, aber auch Fettzellen können In-vitro produziert werden.
  5. Aktuell beschäftigen sich Universitäten (Wageningen) und Start-ups (USA, Israel) hauptsächlich mit IV-Fleisch.

Autor: Florian Männer, Mitglied der Jungen DLG/Team Hohenheim